
Fragen stellen – wie geht das richtig?
Sicherlich kennst Du jene charismatischen Menschen, die Dir das Gefühl geben, wichtig zu sein. Im Gespräch hast Du das Gefühl, dass sich Dein Gegenüber ehrlich für Dich interessiert. Dir werden Fragen gestellt, die nicht nur das Gespräch vorantreiben, sondern das Zusammentreffen wertvoll machen und Dich richtig beflügelt aus dem Treffen gehen lassen. Ein Gespräch, dass zum Nachdenken motiviert und Dir plötzlich eine Lösung Deines Problems aufzeigt. Aber woran liegt das?
Was „fragen“ diese Menschen anders als andere?
Es ist die Art und Weise, wie sie Fragen stellen. Mit Hilfe von bewussten Fragestellungen können wir unser Gegenüber zum Nachdenken anregen. Wir können Menschen motivieren, ihre kreisenden Gedanken zu unterbrechen und sie dazu bringen, out of the Box zu denken. Da kommt auch ein psychologischer Effekt zu Tage, der in der Geschäftswelt leider häufig vergessen wird. Wenn MitarbeiterInnen durch gezielt gestellte Fragen von selbst auf eine Lösung kommen, sehen sie das Problem klarer, können Denkblockade lösen und werden die Lösung auch gewollt umsetzen. Da die MitarbeiterIn den ganzen Tag mit dem Kopf in diesem Projekt steckt, kann sie dann auch die verschiedensten Punkte optimieren und so die Lösung einarbeiten.
Was sind die richtigen Fragen?
Es gibt in der Rhetorik sowie in der systemischen Psychologie, aber auch im Fachbereich ChangeManagement (u.A.) verschiedene Fragetechniken, die ich Dir nachfolgend gerne kurz aufführen möchte. Was bei jedem Fragetyp gleich wichtig ist: sei authentisch. MitarbeiterInnen merken, wenn es unecht und gekünstelt ist. Achte auch auf wertschätzende Formulierungen. Keiner Deiner Gesprächspartner sollte sich verletzt oder angegriffen fühlen.

Offene Fragen
Offene Fragen motivieren Deinen Gesprächspartner zum Reden. Die häufigste Einstiegsfrage beim Small-Talk ist „Wie geht es Ihnen?“. Sie erleichtert Dir den Einstieg ins Gespräch und gibt einen guten ersten Eindruck. Oft wird auch gesagt, dass die Einstiegsfrage die Visitenkarte zum Erfolg sein kann.
Eine weitere offene Frage ist die Gefühlsfrage. „Was beschäftigt Sie gerade?“ oder „Was kann ich tun, damit Sie sich im Team wohl fühlen“ sind Gefühlsfragen, die gleichzeitig aber der MitarbeiterIn die Möglichkeit der Distanzwahrung ermöglichen. Nicht jede MitarbeiterIn ist bereit, Dir ihr Innerstes zu zeigen. Das solltest Du nicht vergessen und keinesfalls persönlich nehmen.
Geschlossene Fragen
Zum richtigen Zeitpunkt gestellte Ja/Nein/Vielleicht-Fragen sind in unserer Kommunikation sehr wichtig. Sie laden nicht zum umfangreichen Plausch ein. Du erhälst aber kurz und knapp eine klare Antwort. Geschlossenen Fragen haben Vor- und Nachteile. Während offene Fragen oft Interesse an der Antwort des Gesprächspartners zeigen, möchten geschlossene Fragen nur eine kurze Information abfragen. Um das Gespräch weiter am Laufen zu halten, sollten weitere Fragen folgen.
Das Risiko bei geschlossenen Fragen ist es, ein kurzes und knappes „nein“ vom Gesprächspartner zu kassieren. Das fühlt sich wie die K.O.-Runde beim Boxen an, sollte Dich allerdings eher anspornen zu hinterfragen, warum das Gespräch so gelaufen ist und Du abgelehnt wurdest. Auch manche MitarbeiterInnen mögen es nicht, mit einer geschlossenen Frage in die Enge getrieben zu werden. Je nachdem, wie streng die geschlossene Frage formuliert war, rechtfertigen sie sich, weshalb etwas so ist.
Um o.g. Problemen aus dem Weg zu gehen, bietet sich die halboffene Frage an. Man gibt selbst einen Teil der Antwort vor und gibt der MitarbeiterIn die Möglichkeit, zu Wort zu kommen und ihren Part zu erklären. Allerdings solltest Du bereits Feingefühl im Umgang mit Menschen haben, denn auch halboffene Fragen können Konflikte erzeugen und Situationen verfinstern.
Initialfragen
Initialfragen kommen ins Gespräch, wenn ein Projekt gestartet wird und es evtl noch Schwierigkeiten bereitet, zu wissen wo man anfängt. So kannst Du super Dein Team motivieren, indem Du bewusste Initialfragen in Dein Meeting einbaust.
Typische Beispiele:
„Was sollen wir zuerst machen?“
„Was wollen sie umsetzen und welche Ideen sollten wir danach besprechen?“
„Welche Punkte sind Ihnen am Wichtigsten?“
Hypothetische Fragen
Bei dieser Fragetechnik wird eine „mal angenommen“-Lösung abgefragt, die im realen Leben niemals stattfinden würde. Du bringst die Kollegen zum Nachdenken. Im Idealfall findet Deine MitarbeiterIn die richtige Antwort von selbst. Hypothetische Fragen sind zum Beispiel:
„Mal angenommen, Sie könnten die Uhr zurückdrehen. Was genau würden Sie heute anders machen?“
„Wenn Geld und Zeit keine Rolle spielen würden, was würden Sie gerne tun?“
„Was hätte vorher passieren müssen, damit Sie rechtzeitig erkannt hätten, dass das Projekt gegen die Wand läuft?“
Ressourcenorientierte Fragen
Ein Plädoyer an die Eigenverantwortund der MitarbeiterInnen sind ressourcenorientierte Fragen.
„Was genau brauchen Sie, um das Problem zu lösen?“
„Wenn Sie sich vorstellen, selbst das Thema zu lösen. Wie könnte Ihre Idee dazu aussehen?“
„Wie würden Sie es machen?“
„Welche Unterstützung wünschen Sie sich von mir, damit ich Ihnen bei der Lösung zur Seite stehe?“
Diese Fragetechnik macht es der Vorgesetzten relativ einfach, sich aus dem Problem rauszunehmen. Manchmal auch zu recht, denn sie weiss zuwenig über den Sachverhalt. Allerdings ist diese Fragestellung mit Vorsicht zu genießen, meiner Meinung nach. Zu häufig gestellt, kann sie bei MitarbeiterInnen einen Trotz auslösen. Und je nach Gesamtstimmung auch Wut, da sie sich denkt, dass sie sich um alles selber kümmern muss und für alles eigene Lösungen entwickeln soll.
Lösungsorientierte Fragen
Coaches und Moderatoren arbeiten gerne mit dieser Fragetechnik. Der Clou besteht darin, dass die Gefragte selbst die richtige Antwort findet. Dies hilft dabei, das Verhalten zu verändern und in die richtige Richtung zu laufen. Wenn aber stets die Lösung von Außen vorgegeben wird, nimmt die MitarbeiterIn vermutlich die Lösung nicht an. Dies hat mit unserer Zeit zu tun. Anweisungen top-down (also von Chefetage runter an die Basis) funktionieren in der heutigen Arbeitswelt nicht mehr. Zumindest nicht in unseren Breitengraden.
Lösungsorientierte Fragen können sein:
„Was genau brauchen wir, damit wir unser Ziel gemeinsam erreichen?“
„Wie können wir uns motivieren, um das Projekt doch noch abzuschließen?“
„Welche Tools benötigen wir, damit wir einen Workflow etablieren können?“
Gerade bei dieser Fragetechnik kann es zu hitzigen Diskussionen kommen. Hier kommen häufig Kompromisse als Lösungen hervor, und Kompromisse sind nicht jedermanns Sache. Wichtig wird es, allzu hitzige Diskussionen zu unterbrechen.
Verdeckte Fragen
Sehr beliebt bei Bewerbungsgesprächen, da sie gar nicht aussehen, wie echte Fragen. Man will ja schließlich nicht plump den künftigen Mitarbeiter abfragen, sondern höflich bleiben und respektvoll mehr über den Bewerber erfahren.
„Haben Sie einen Parkplatz gefunden?“ – (Führerschein?)
„Wie erging es Ihnen denn an den Feiertagen?“ – (lebt Feiertage aus?)
Gleichzeitig ist es auch möglich, in einer verdeckten Frage einen Apell (also eine Aufforderung zur Handlung) zu verpacken:
„Wann meinen Sie, können Sie Ihr Büro aufräumen?“ – (Apell: Büro soll aufgeräumt werden, und die verdeckte Frage, ob der MitarbeiterIn bewusst ist, wie es bei ihr aussieht)
Entscheidungsfragen
Bei dieser Fragetechnik wird bereits im Vorfeld eine bestimmte Antwort erwartet. Diese Frage habe ich erst letztens von einem Küchenverkäufer gehört: „heute haben wir noch 42% Nachlass – möchten Sie sich diesen Rabatt nicht sichern?“. Natürlich gibt es diese Frage auch ohne dem Kunden einen gewissen Druck mit auf den Weg zu geben. Wie zum Bespiel „Möchten Sie die Küche heute noch bestellen?“. Eine wahnsinnig gute Marketingsstrategie für die Entscheidungsfrage ist der Black Friday. Dieser drängt sich nicht so sehr auf, und gibt dem Käufer parallel dazu aber noch ein gutes Gefühl, ein Schnäppchen gemacht zu haben.
Vergleichsfragen
Gerne wird bei Vergleichsfragen Maßstäbe wie Skalen hergenommen. Dies erlaubt es, eine Sachlage schneller zu bewerten. „Auf einer Skala von 1-10, wie sicher sind Sie, dass das stemmen können?“
Auch Vergleiche zu anderen Zeiten, anderen Gegebenheiten sind ein guter Vergleich… „Wie geht es Dir heute im Vergleich zu gestern?“.
Paradoxe Fragen
Dies ist meine Lieblingsfragetechnik, da man damit MitarbeiterInnen kurz mal schockfrosten kann. Diese sind oftmals völlig überrascht und werden von einer Sekunde auf die andere ins Hier und Jetzt geholt, da sie erst denken, sich verhört zu haben. Meine Lieblingsfrage ist „Was müssen wir tun, damit das Projekt scheitert?“. Erst gibt es eine kurze Stille und entsetzte Blicke. Dann merkt man, wie die Einzelnen verstehen, was mit dieser Frage bezweckt wird. Es geht darum Risiken zu erkennen, Gefahren zu umschiffen und auch über den Tellerrand (sprich Konkurrenz) zu kucken.
Diese Fragen wie „Wie können wir uns ruinieren, indem wir noch ineffizienter weiterarbeiten“ sind nicht komplett ernst gemeint und provozieren auch leicht. Im besten Fall lächelt die ein oder andere KollegIn.
Rhetorische Frage
Eine Frage, auf die es keine Antwort braucht.
Diesen Fragetyp finden wir häufig in der Politik wieder. Sie ist mehr ein Stilmittel, als eine ernst gemeinte Frage. Sie erzeugt Aufmerksamkeit, rüttelt wach. Auch ist es eine sehr manipulative Fragestellung, denn sie schiebt die AnsprechpartnerIn in eine Denkrichtung, ohne dass sie es merken. Daher ist sie mit Vorsicht zu genießen, denn sie drängt Ihr Gegenüber in die Enge.
Beispiele für rhetorische Fragen sind:
„Wollen wir nicht alle gemeinsam das Klima und die Erde retten?“
„Was kann ich denn tun, damit ich Sie überzeugen kann?“
„Würden Sie, nachdem Sie die eben gehörte Faktenlage kennen, nicht zustimmen?“
Suggestivfragen
Mit der Suggestivfrage unterstellst Du Deinerr MitarbeiterIn eine Meinung bzw. Du willst eine Antwort, die Du selbst hören willst. Auch vor dieser Art der Fragestellung kann ich (ähnlich wie bei der Rhetorischen Frage) nur warnen. Bitte wähle diese mit Bedacht aus. Das Echo der Empörung könnte Dich plätten. „Sie mögen doch lieber an Projekt B arbeiten als ihrer Haupttätigkeit nachzugehen?“ – Diese Frage impliziert gleich auch eine Wertung. Dies kann sehr gefährlich werden. Daher solltest Du achtsam und fürsorglich fragen. Gebe auch acht auf Deine Stimmelage.
Zirkuläre Fragen
Bei den zirkulären Fragen geht es darum, die Perspektive zu wechseln. Es soll das eigene Verhalten und die eigene Denkweise hinterfragt werden.
„Wie hätten Sie sich gefühlt, wenn Sie der Kunde gewesen wären?“
„Was genau können Sie anders machen, damit die Situation nicht so eskaliert?“
Befehlsfragen
Diesen Fragetyp kennen Sie womöglich von zu Hause, bei der Erziehung ihrer Kinder. Durch die Befehlsfrage möchten Sie, dass Ihr Gesprächspartner genau das tut, was Sie bestimmen. Ein gutes Beispiel: „Möchtest Du denn nicht den Teller aufessen?“.
Im beruflichen Umfeld sollten Sie auf diese Technik verzichten. Ansonsten riskieren Sie, dass Ihnen Ihre MitarbeiterInnnen den Mittelfinger zeigen. Zumindest ich würde es tun.
Auch Kunden, denen Sie sagen: „Willst Du jetzt nicht gleich unterschreiben?“ könnten entrüstet gehen und sich empörend auf Google über Ihr Unternehmen auslassen.
Warum-Fragen
Das Wort Warum ist ein sehr wichtiges Wort. Und gleichzeitig ist es unfassbar schlecht besetzt. Vielleicht ist es Dir auch schon so gegangen. Du saßt vorm Chef und er fragte Dich „Warum ist das in die Hose gegangen?“. Allein diese Frage ist schon unangenehm, SDu fühlst dich eingeengt. Wenn Du dann eine Erklärung auf sein Warum herausbringst und er dann die nächste Frage stellt wie „Das verstehe ich nicht, warum konnte das nicht umgesetzt werden?“, wird es nochmal härter eine Antwort zu finden. Du fühlst Dich nicht wirklich wohl.
Bei einem Mitarbeitergespräch habe ich vor vielen Jahren erlebt, dass der Personalleiter vier- oder fünfmal die Frage „Warum?“ stellte und dann die MitarbeiterIn in Tränen ausbrach, weil er sie so in die Enge getrieben hatte, dass sie nicht mehr weiter wusste. Unbewusst wurde sie wieder acht Jahre alt und saß bildlich gesprochen, gedemütigt vor ihrem damaligen Lehrer, der sie ständig fragte, warum sie denn keine Hausaufgaben gemacht habe.
Die Frage Warum ist ein heisses Pflaster, auf dem man nicht zulange unterwegs sein sollte.
Abschlussfragen
Diese Technik kennen wir, wir nutzen sie nahezu täglich. Es geht darum, das Gespräch zu beenden.
„Kann ich Ihnen die Unterlagen dann zusenden, damit wir das noch diesen Monat abschließen können?“
„Wie gerade besprochen – wir treffen uns auf der Messe nächste Woche?“
„Haben Sie noch Fragen an mich?“
Fazit
Wichtig bei Fragetechniken ist das gekonnte Anwenden – also üben, üben, üben. Du kannst mit diesen Techniken Deine Kommunikationsfähigkeit steigern. Wir selbst sind doch auch oft dankbar, wenn wir uns selbst reflektieren. Zum Nachdenken anregende Fragen gestellt bekommen, kann uns nach Vorne bringen.
Auch kannst Du diese Fragearten vorbereiten. Mach Dir am Vortag Gedanken darüber, wie und in welche Richtung das Gespräch laufen sollen. Sie können mit diesen Fragetechniken methodisch ans Ziel kommen.
Körpersprache ist neben diesen Fragetechniken sehr wichtig. Blickkontakt halten, Mimik und Gestik des Gesprächspartners achten und ggf deuten. Achte auf Deine Stimmlage, mache ausreichend Pausen nach den Fragen.
Bei umgekehrter Situationen: nicht Du bist der Fragensteller, sondern Du sitzt im Gespräch und Dir werden Fragen gestellt. Ich halte es für selbstverständlich, aber möchte es hier nochmal explizit erwähnen: Du darfst die Antwort verweigern. Nicht jede Frage ist es wert, beantwortet zu werden. Auch nicht jede Frage ist so formuliert, dass Sie ansprechend und freundschaftlich daher kommt. Gerade, wenn Du eine wichtige Position in einem Unternehmen bekleidest, ist es ratsam, nicht auf alles zu antworten. Du solltest klare Grenzen aufzeigen.
Falls Dich das Thema interessiert – hier findest Du einen weiteren Beitrag über die 6-W-Fragetechnik.